Offener Brief der Kulturvereine

Wir haben gemeinsam mit dem Kulturklub Bad Harzburg e.V. am 28. April 2021 einen offenen Brief an die Bundes- und Landtagsabgeordneten unseres Wahlbezirks geschrieben, in dem wir

• unserer Sorge um das finanzielle Überleben der Kulturschaffenden zum Ausdruck bringen,

• das Ermöglichen von Open-Air-Veranstaltungen unter Hygieneauflagen anmahnen,

• das Bedürfnis der Bevölkerung nach kulturellen Veranstaltungen aufzeigen

Am 04. Mai hat die Landesregierung bereits einige Lockerungen in Aussicht gestellt, auf deren inhaltliche Ausgestaltung wir sehr gespannt sind. Jede Veranstaltung braucht je nach Größe einen gewissen Vorlauf und vor allem eine gewisse Planungssicherheit. Ob das Szenario der Landesregierung dies ermöglicht und ob und wie ein Ausfall durch situationsbedingte Änderungen der angestrebten Vorgaben kompensiert werden soll, bleibt abzuwarten.

Hier der Brief im Wortlaut:

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Infektionsschutzgesetz ist nunmehr geändert worden und eingangs möchten wir klarstellen, dass wir eine daraus resultierende bundeseinheitliche Regelung begrüßen. So wie wir alle Maßnahmen begrüßen, die dazu beitragen, dass wir schnellstmöglich wieder ein normales Leben führen können. Dennoch sehen wir die aktuelle Entwicklung und die nunmehr erfolgten Beschlüsse auch mit großer Sorge.

Wir, das sind die Kulturvereine aus Bad Harzburg und Braunlage

• Kulturklub Bad Harzburg e.V. und

• KULT Braunlage e.V.,

die sich nicht nur für das kulturelle Leben in ihrer Heimat, sondern vor allem auch für die dazu benötigten Künstler verantwortlich fühlen.

Wir sehen die Kulturschaffenden, die unser Programm bereichern bzw. erst möglich machen, nicht als ein Produkt, dessen man sich je nach Lust und Laune oder Art der Veranstaltung bedient. Vor, während und auch nach einer Veranstaltung sind wir verantwortlich für das Wohlbefinden unserer Künstler. Sie wachsen uns ans Herz und sind nicht nur Künstler, sondern vor allem auch oftmals tolle Menschen, die wir dann auch mal näher kennenlernen dürfen.

Umso mehr leiden wir mit all diesen Menschen, die es sich zur Berufung gemacht haben, uns alle mit ihrer Kunst zu unterhalten und zu begeistern. Und wir leiden mit all jenen, die diesen Menschen die Bühne mit Technik, Merchandise und jeglichem Support bereiten. Denn auch wenn es im Sommer 2020 kurze Augenblicke der Normalität gab, unterliegen viele von ihnen seit nunmehr fast 14 Monaten einem Berufsverbot. Ein Großteil von ihnen fällt als Freiberufler durch jegliches Raster und muss private Ersparnisse und sogar Altersvorsorgen verwenden, um den ganz normalen Alltag zu finanzieren.

Viele von ihnen sind angesichts dieser existenzbedrohenden Situation psychisch und daraus folgernd auch physisch an den Grenzen ihrer Belastbarkeit angekommen, so dass man sich durchaus und ernsthaft Sorgen um diese Menschen machen muss.

Entsprechend war der anstehende Sommer 2021 auch ein Stück weit Lichtblick. Ein Sommer, in dem man im kleinen Rahmen und unter großen Anstrengungen zur Schaffung angemessener Hygienekonzepte wieder Veranstaltungen unter freiem Himmel durchführen will. Unsere Vereine und viele weitere Veranstalter in ganz Deutschland haben im letzten Sommer sehr erfolgreich bewiesen, dass wir dieser Aufgabe sehr verantwortungsbewusst und konsequent gewachsen sind. In Bad Harzburg wurden die weiten Flächen der Pferderennbahn nebst der großen Tribüne zur Durchführung toller Events genutzt. In Braunlage und seinen Ortsteilen St. Andreasberg und Hohegeiß hat man mit Kultur-Picknicks eine neue Form der kulturellen Unterhaltung in den Harz gebracht. Wir waren und sind kreativ, finden Möglichkeiten und übernehmen Verantwortung, allen und allem gerecht zu werden.

Doch nun wird erneut die Kultur in den Beschlüssen geopfert. Während man sich in Zoos und Botanischen Gärten unter gewissen Auflagen verhältnismäßig frei bewegen darf, direkter Kontakt mit Fremden also auch nicht ausgeschlossen werden kann, ist es nicht gestattet, eine begrenzte Menge an Menschen auf festen Sitzplätzen auf einer in Relation zum Publikum übergroßen Freifläche zu versammeln, um kulturelle Veranstaltungen darzubieten. Von überfüllten Bussen, Bahnen und Flugzeugen ganz zu schweigen.

Bitte verstehen Sie uns nicht falsch. Wir neiden niemandem seine Freiheiten und freuen uns über jedes kleine Stück Normalität. Auch wollen wir keine Rockkonzerte oder Festivals mit tausenden von Menschen in dieser Zeit auch nur ansatzweise für gut befinden. Obwohl wir auch hier sehr mit allen Beteiligten leiden, die die Absage derartiger Events betrifft.

Was uns umtreibt ist in erster Linie „der Künstler/die Künstlerin“ und all jene, die im Hintergrund mitarbeiten! Hier sehen wir es als unsere absolute Pflicht an, dieser aktuell vernachlässigten Berufsgruppe den Rücken zu stärken und zu zeigen, dass wir bedingungslos für sie einstehen wollen.

Insofern muss es unbedingt Regelungen geben, unter denen man kleinere Veranstaltungen unter freiem Himmel durchführen kann. Hierzu wären auch klarere, eindeutigere Regelungen bei einem Inzidenzwert unter 100 wünschenswert. Und wenn diese Veranstaltungen nicht möglich sind, muss gewährleistet sein, dass die bereits engagierten Künstler bei einem Ausfall, der für sie erneut mit einem Verdienstausfall einhergeht, anteilig zur vereinbarten Gage entschädigt werden. Teilweise werden derartige, aber sehr geringe Entschädigungen zwischen uns und den Künstlern bereits vertraglich vereinbart. Doch diese Last darf nicht auf uns als Verein abgewälzt, sondern muss genauso staatlich getragen werden, wie es in anderen Branchen in den letzten Monaten üblich war. Dazu sollten die vorhanden Förderprogramme besser vermarktet, ständig erweitert und unbürokratischer und praxisorientierter gestaltet werden.

Und ganz nebenbei sehen wir auch den Zuschauer. Gerade in dieser Zeit, in der immer mehr Menschen angesichts der schwierigen Situation frustriert und nahezu depressiv werden, kann eine kleine Abwechslung in Form einer kulturellen Veranstaltung fast schon wie Medizin wirken. Ein Fakt, den wir im letzten Sommer bei unseren Veranstaltungen sehr gut beobachten konnten. Dankbar und diszipliniert haben unsere Zuschauer unser jeweiliges Event honoriert.

Schauen Sie sich in diesem Zusammenhang an, wie sich die Fortführung der Fußball- Bundesligasaison auf den Menschen auswirkt. Die Fernsehübertragungen bringen ein Stück Abwechslung und Normalität in die heimischen Wohnstuben. Fakt ist jedoch, dass die 21,4 Mio. Zuschauer der 1. bis 3. Liga (Saison 2017/2018) durch 34 Millionen Zuschauer in den Theatern und Sinfoniekonzerten, 114 Millionen Besuchern von Museen und 118 Millionen Zuschauern in den 1.700 Kinos dieses Landes deutlich übertroffen werden. Alleine diese Zahlen zeigen, wie wichtig den Deutschen die Kultur ist – und wie unverständlich es gleichzeitig erscheint, dass genau diese

Branche die größten Opfer bringen muss, ohne angemessen dafür entschädigt zu werden.

So wie wir uns für den Kulturstandort Harz bzw. Deutschland einsetzen, bitten wir Sie, es uns gleichzutun und uns, aber vor allem den vielen Künstlern dieses Landes eine Perspektive und derzeit einen finanziellen Ausgleich zu schaffen, der über den Anspruch von Hartz IV hinausgehen muss. Diese Menschen sind nicht arbeitslos oder arbeitssuchend, sondern unterliegen einem Berufsverbot, welches sie nicht selbst verschuldet haben. Insofern wären wir Ihnen dankbar, wenn Sie unsere Bitte an die entsprechenden Stellen weiterleiten und der Kultur das Gehör verschaffen würden, das es verdient.

Mit freundlichen Grüßen

Steffen Heister (Vorsitzender) für KULT Braunlage e.V.

Detlef Linke (Vorsitzender) für den Kulturklub Bad Harzburg e.V.

Dieses Schreiben haben erhalten:

• Dr. Roy Kühne CDU, MdB

• Petra Emmerich-Kopatsch SPD, MdL

• Frank Oesterhelweg CDU, MdL

• Julia Willie Hamburg Bündnis 90/Die Grünen, MdL

• Susanne Victoria Schütz FDP, MdL

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Ehrung Frank Faber